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Spiegelwelten

Alice hinter den Spiegeln

"Also, wenn du einmal ordentlich zuhörst ... will ich dir erzählen, wie ich mir das Haus hinterm Spiegel vorstelle. Zuerst einmal kommt das Zimmer, das du hinter dem Glas siehst - das ist genau wie unser Wohnzimmer, nur ist alles verkehrt herum. Wenn ich auf einen Stuhl steige, kann ich alles genau erkennen, bis auf das Stück hinter dem Kamin. Ach, wenn ich da doch auch noch hineinsehen könnte! Ich wüßte zu gerne, ob sie dort im Winter auch ein Feuer brennen haben: genau weiß man das nämlich nie - höchstens, wenn unser Kaminfeuer qualmt, dann qualmt es in dem anderen Zimmer auch...
Nun ja, und die Bücher sind auch ungefähr wie die unseren, nur laufen die Wörter alle nach der falschen Seite, soviel weiß ich, denn ich habe schon einmal ein Buch vor den Spiegel gehalten, und dann halten sie einem von drüben aus dem Zimmer genauso eins entgegen ..."

(Lewis Carroll, "Alice hinter den Spiegeln")

Spieglein, Spieglein an der Wand ...

In einer Spiegelwelt ist ja nichts so, wie man es gewohnheitsmäßig kennt.
Begegnete ich meinem Spiegelbild in natura, so wäre ich wohl etwas erstaunt oder auch verwirrt.
Links wäre rechts und rechts wäre links.
Die rechte Hand wird im Spiegelbild zur linken Hand. Reichte ich meinem Spiegelbild die linke Hand, so gäbe er mir seine rechte, die aber in Wirklichkeit meine linke Hand ist ...

Spieglein, Spieglein an der Wand - welches ist die rechte Hand?

Immanuel Kant, ein berühmter Gehirnakrobat, hat dieses Paradoxon folgendermassen formuliert:

"Was kann wohl meiner Hand oder meinem Ohr ähnlicher und in allen Stücken gleicher sein als ihr Bild im Spiegel?
Und dennoch kann ich eine solche Hand, als im Spiegel gesehen wird, nicht an die Stelle ihres Urbildes setzen; denn wenn dieses eine rechte Hand war, so ist jene im Spiegel eine linke, und das Bild des rechten Ohres ist ein linkes, das nimmermehr die Stelle des ersteren vertreten kann.
Nun sind hier keine inneren Unterschiede, die irgendein Verstand nur denken könnte; und dennoch sind die Unterschiede innerlich, soweit die Sinne lehren, denn die linke Hand kann mit der rechten unerachtet aller beiderseitigen Gleichheit und Ähnlichkeit doch nicht zwischen denselben Grenzen eingeschlossen sein (sie können nicht congruiren); der Handschuh der einen Hand könnte nicht auf der anderen gebraucht werden. Was ist nun die Auflösung?"

(entnommen aus "Rudy Rucker, Die Wunderwelt der vierten Dimension")


Spiegelhand

Pik-As

Der Mann im Bild hält in jeder Hand ein Pik-As.
So wandert auf geradezu magische Weise das Pik-As von der rechten Hand in die linke Hand, von mir aus gesehen.
Ich (=der Mann vor dem Spiegel) sehe die Karte in meiner rechten, die im Spiegel zu dem mir zugewandten linken Handrücken des Gegenübers wird. Im Spiegelbild sehe ich anstelle der Bildseite den Handrücken des Gegenübers.
Allerdings sehe ich die Bildseite der in meiner linken Hand befindlichen Karte, die sich in der dem Spiegel zugewandten linken Hand befindet nur in der rechten Hand meines Gegenübers, die der Welt ausserhalb des Spiegels zugewandt ist - in meiner Welt (vor dem Spiegel) sehe ich sie nicht, sondern den linken Handrücken.
Der Herr im Spiegel behauptet natürlich felsenfest: "Nein, ich halte die Karte doch auch in der rechten Hand!"
"Nein, du irrst - deine rechte Hand ist von mir aus links, also eine linke Hand, denn Du bist ja ich ..."
Man könnte vielleicht ergänzen sich vorstellen:
Es ist so, als fragte ich das Gegenüber im Spiegel: „Welche Karte halte ich in meiner rechten Hand?“
Und er zeigt mir diese richtige Karte und sagt „die hier!“
Geht natürlich auch umgekehrt – oder beide Fragen und antworten zugleich … ein klassischer Zirkelschluss!

Hier könnte ein ernsthafter Streit sich entfachen in dessen Verlauf der Spiegel zerbricht und alles wieder in Ordnung kommt ...
Ich bin heilfroh, dass keine Spiegelbilder lebendig herumlaufen - was für eine Verwirrung würde sich da ergeben...?

Umzug in die falsche Richtung

Rechts oder links?

Man stelle sich folgende durchaus mögliche Situation vor:

Bei Familie Grimmler ist ein Umzug angesagt, Herr G. schleppt die Kisten, Frau G. dirigiert.
Nun befindet sich an einer Wand ein Spiegel, der den Raum spiegelt, indem Herr G. gerade sich befindet.
Angenommen Frau G. sei nun etwas kurzsichtig und könnte nicht zwischen dem realen Herrn G. und dessen Spiegelbild unterscheiden.
Sie schaut in die falsche Richtung und verwechselt das Spiegelbild mit dem Mann aus Fleisch und Blut ...
Der reale Herr G. (rechts im Bild) trägt die Kiste vereinbarungsgemäß nach links.
Seine Frau, die das Spiegelbild sieht, meint nun, er ginge gerade in die falsche Richtung und trage die Kiste nach rechts (vom Mann aus gesehen).
Herr G. ist sich keiner Schuld bewußt ... hoffentlich vertragen sich die beiden bald wieder.